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Unser Dorf soll schöner werden...
...dachte sich wohl Erbachs Bürgermeister Harald Buschmann, als er beschloss, das Grünland im Gräsig flächendeckend unter einem Obi-Baumarkt
und weiteren Großmärkten zu verstecken. Genau so wie das vor 20 Jahren auch andere Kommunen taten, die es allerdings inzwischen schwer bereuen. Im Odinwald passiert halt alles ein bisschen später - und aus
Fehlern Anderer lernt der Odinwälder anscheinend grundsätzlich nicht. Damit die Erbacher sich ein Bild von ihrer künftigen Skyline machen können, hat Odin den Bauplänen schon mal vorgegriffen:
So sieht es heute aus, wenn man über das Wiesenmarktgelände zum Gräsig schaut
Das ist die künftige Skyline Erbachs, zauberhaft, nicht wahr?!
Da mag sich der Odinwälder und auch der Rest-Germane wahrscheinlich fragen: Spinnen die
Erbacher? Die Antwort: Nicht alle, aber einige ganz gewaltig! Die Obi-Idee hat der Bürgermeister ganz alleine ausgetüftelt. Als ehemaliger Pfarrer der evangelischen Kirche nahm er wohl Anleihe bei
seinem katholischen Kollegen in Rom, der seit ewiger Zeit mit “urbi et orbi” wahnsinnige Publikumserfolge feiert. Dass “urbi et obi” bei den Erbachern nicht die gleiche Begeisterung auslöst,
verwunderte den beurlaubten Pfarrer im Bürgermeisteramt doch ein wenig. Seine Stadtverordneten hatte er schnell überzeugt, nicht mit stichhaltigen Fakten und Informationen, sondern mit einer kleinen
Erpressung. “Wenn die nicht für Obi die Hand heben und so abstimmen, wie ich das will, mach ich in den nächsten fünf Jahren als Bürgermeister gar nichts mehr und bewerbe mich dann woanders” -
lautete seine Drohung, die er auch gegenüber Pressevertretern äußerte. Als er gerade so schön dabei war, in sämtliche Fettnäpfchen zu trampeln, bekam auch der Einzelhandel sein Fett weg.
Manche Geschäfte brauchen Konkurrenz, weil sie die Bürgermeistergattin nicht angemessen freundlich behandeln. Inzwischen sollen schon Sammelbestellungen für rote Teppiche unterwegs sein
- vermutlich zu Obi - und ganz Erbach übt den Hofknicks. Zeitweise sah es so aus, als wolle außer dem Bürgermeister und seinen CDU-Getreuen niemand
einen Obi. Aber selbst die ÜWG, die sich die Unterstützung des Mittelstandes und damit auch des Einzelhandels auf die Fahne geschrieben hat, unterwarf sich den Drohungen. Trotz flammender
Reden gegen Obi stimmten zwei Mandatsträger sogar entgegen ihre eigene Überzeugung für das Betonprojekt auf dem Gräsig - damit war der Bebauungsplan mit 19:17 Stimmen geändert und Obi
kann kommen. Vorsorglich entschuldigte sich der Bürgermeister beim Einzelhandel für sein dummes Geschwätz und beschimpfte zur Abwechslung die lokale Presse, weil die sich tatsächlich traute,
Leserbriefe contra Obi abzudrucken - pro Obi gab es leider keine. Die OHZ heißt für Buschmann nun OBZ - Odenwälder Bild Zeitung. Dabei waren die Leserbriefe gar nicht bebildert.
Auf alle Fälle bedauern die meisten Erbacher inzwischen schwer, ihn überhaupt gewählt zu haben und auch, dass die große Chance, ihn vorzeitig loszuwerden, durch das devote Abstimmungsverhalten der
Stadtverordneten vertan ist. Also wird Obi kommen und pro Jahr 25 Millionen Mark umsetzten - so ist das zumindest geplant. Da
es im Umkreis von 30 Kilometer noch weitere fünf Baumärkte gibt, werden die Erbacher den Jahresumsatz von Obi wohl alleine erbringen müssen. Pro Einwohner, vom Säugling bis zum
Seniorenheimbewohner, sind das rund 2400 Mark jährlich. Also fangt schon mal an zu sparen, Ihr Erbacher, schon bald sollen die Obi-Kassen klingeln.
Bleibt zu offen, dass Obi auch ein reichhaltiges Sortiment an Sandsäcken führt, denn davon werden die Stockheimer und die Dorf-Erbacher reichlich brauchen. Schließlich muss der Erdbach ja all das
Regenwasser aufnehmen, dass durch Obi, die anderen Märkte, die Zufahrtsstraßen und die riesige Parkplatzfläche nicht hindurch kommt. Klein-Venedig im Odinwald - getreu dem Motto: Unser Dorf soll schöner werden!
Manche Zeitgenossen machen sich ehrliche Sorgen, was der Bürgermeister wohl macht, wenn ihn der Erbacher nicht mehr als Bürgermeister wollen (wenn der so weiter macht, könnte das bald sein). Aber
diese Sorgen sind unnötig, denn unbestätigten Gerüchten zufolge hat OBI ihm schon einen Job angeboten. Als Betriebspfarrer zur mentalen Erbauung des Personals und der Kunden.
Das Bürgerbegehren passierte den Magistrat und kam am 25. Oktober zur Abstimmung in die Stadtverordnetenversammlung. Termin für dieBürgerbefragung war der 20. Januar.
Eigentlich hätte ein Änderungsantrag der Stadt, der den Weg für den Obi-Bau ebnet, noch 2001 in der Regionalversammlung behandelt werden sollen. Deshalb ja diese Eile im Sommer in den
städtischen Gremien. Dann war der Antrag aber wieder von der Tagesordnung verschwunden, zurückgezogen von der Stadt. Soll erst nach dem Bürgervotum behandelt werden. Man erhofft sich
wohl von den Bürgern Rückendeckung für die Regionalversammlung. Denn dieser, beziehungsweise dem Regierungspräsidium lagen bereits zwölf Stellungnahmen vor - für das Projekt sprechen sich
diese allerdings nicht wirklich bis überhaupt nicht aus (wie man aus gut informierten Kreisen hört). Nun hieß es abwarten bis Januar!
Bei einer Podiumsdiskussion verkündete Bürgermeister Buschmann: “Was geht mich der Michelstädter Einzelhandel an, ich bin Bürgermeister von Erbach!” Diese Aussage passt überhaupt
nicht zu seinem Wahlversprechen hinsichtlich einer besseren Zusammenarbeit mit der Nachbarstadt. Noch grotesker mutete allerdings das zustimmende Gejohle seiner Getreuen an. Sprachen sich diese
doch noch vor gut einem Jahr vehement für eine Fusion mit eben dieser Nachbarstadt aus. Aber wie heißt es so schön in Politikerkreisen? Was juckt mich mein Geschwätz von gestern!
Obi griff richtig in das städtische Geschehen ein! Erst bekamen die Senioren vom Investor eine neues beglückendes Hobby angepriesen: Junge Menschen beobachten, die bei Obi arbeiten oder
einkaufen oder so. Soll Spaß machen! Außerdem soll bereits in Erwägung gezogen worden sein, die Stadtfarben Blau-Rot durch Obi-Orange zu ersetzen. Das neue Wappentier der Stadt wird der Biber
und Graf Franz auf dem Marktplatz durch einen selbigen aus orangem Plastik ersetzt. So munkelte man zumindest. Fakt ist allerdings, dass das Autohaus Mitsubishi Müller zu einer außergewöhnlichen
Ausstellung einlädt. Sie stand unter dem Motto” Erbachs Zukunft liegt im Gräsig”. Zu sehen waren das Obi-Modell sowie ein Modell füreinen Freizeitpark.
Nach dem 20. Januar stand fest, dass eine Quasi-Mehrheit an Erbachern den Obi-Markt wollen. Immerhin votierten 2933 von 9847 Wahlberechtigten bei der Bürgerbefragung für das Objekt.
Dagegen sprachen sich nur 1825 aus und 5084 Erbacher hatten gar keine Meinung. Viele wunderten sich über den Ausgang des Bürgerbegehrens: Die Fragestellung hat kaum jemand kapiert, sogar die
Radiosender und der Teletext verdrehten das Ergebnis. Aber da ist auch noch die Regionalversammlung und ein ganz rühriger Bürgermeister Ruhr - der diesen Marktkomlex an seiner Stadtgrenze überhaupt nicht will.
Für alle Erbacher und andere Odinwälder hier noch mal die neue Skyline im Vergleich mit der gewohnten - in halbwegs realistischer Perspektive, aber trotzdem nicht hübscher. 
Eine gemeinsame Planung in Sachen Bebauung und einen gemeinsamen Änderungsantrag verlangt
die Regionalversammlung von den beiden Städten Erbach und Michelstadt - sonst wird der Erbacher Antrag auf Änderung des Bebauungsplans mit Ziel Ansiedelung von Obi und weiteren Großmärkten im Gräsig abgelehnt.
Mit der Einigkeit klappte es ganz gut, nur der Michelstädter Bürgermeister mochte sich nicht vor den Karren vorbeiziehender Investoren spannen lassen. Zusammenarbeit in Zukunft: Ja. Schnellschuss für
Obi: Nein. Da schickte der Erbacher Bürgermeister seinen und den Michelstädter Bürgern einen Brief, worin etwas ganz anderes stand. Darauf stellte der Michelstädter Bürgermeister den
Michelstädter Standpunkt in der Zeitung klar und der Hauptausschuss der Regionalversammlung empfahl dieser, den ganzen Antrag abzulehnen. Inzwischen bekommen viele Menschen im Odinwald
bei dem Wort Obi allergischen Hautausschlag, die Stimmung in der Stadt ist, milde ausgedrückt, unter aller Sau. Über den ökologischen Aspekt des Bauvorhabens wird noch immer nicht gesprochen,
obwohl gerade so anschaulich halb Ossiland den Bach hinunter geht. Mit einer Superlative geht Bürgermeister Buschmann garantiert in die Geschichte des Odenwaldes ein: Er hat mehr Unfriede
gestiftet als seine Vorgänger und dessen Vorgänger zusammen. Und das als Pfarrer! Was sagt da eigentlich der Chef zu? Nee, nicht der Landrat, sondern der Chef von ganz oben. |