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Filmriss in Grimmen
Medienunternehmer eilt schlechter Ruf voraus
Direkt vor der Landratswahl schien eine gute Fee Grimmen entdeckt zu haben. Ein Film- und Fernsehzentrum mit 800 Arbeitsplätzen sollte
entstehen. Jetzt sind Zweifel am Projekt aufgetaucht. Grimmen/Michelstadt (OZ) Große Pläne für Grimmen. Nur, was daraus wird, bleibt vorerst schleierhaft. Der Medien-Unternehmer Karl-Heinz Balzer aus
Michelstadt im Odenwald will in Vorpommern ein “Europäisches Film- und Fernsehzentrum” (EFFZ) aufbauen (OZ berichtete). 800 Arbeitsplätze. 100 Millionen Investitionen. Balzer will Unterhaltungs-Sendungen
im Format von “Wetten dass” oder “Musik für Millionen” drehen. Auf den Nordosten sei er durch Zufall gekommen. Auf der Expo in Hannover habe er Grimmens Bürgermeister Dieter Freimuth (CDU) kennen
gelernt und sich wegen der Ostsee-Nähe für den Standort interessiert. Bekannt wurden die Pläne Anfang Mai. EFFZ-Manager Gerd Strauß sprach davon, bereits im Oktober in Grimmen produzieren zu wollen.
Mittlerweile jedoch sind Zweifel aufgekommen, ob das Projekt jemals realisiert wird. Balzer hat bereits vor zwei Jahren seiner Heimat Michelstadt ein Filmzentrum versprochen. Der dortige BĂĽrgermeister
Reinhold Ruhr (parteilos), der mit Balzer befreundet war, sagt: “Daraus ist niemals etwas geworden. Das ist schon eine tragische Geschichte. Wir glauben, der hat seine Investoren nicht gekriegt.” Als die
Stadt die Bauplanung im Sinne Balzers ändern wollte, zog der zurück. Begründung: Im Osten gebe es Fördergelder. Nur: Weder in der Schweriner Landesregierung noch bei der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung
ist das Projekt bekannt. Gerd Lange aus dem Wirtschaftsministerium: “Das hört sich dubios an. Es liegt kein Antrag vor. Es gibt auch keinen Kontakt.” In Grimmen hat Balzer erzählt, dass er das EFFZ nicht
mit öffentlicher Hilfe finanzieren will. Bürgermeister Freimuth: “Auf Fördergelder sollte verzichtet werden, da man dann größere Freiräume hat.” Warum also Grimmen? Balzer sagt, dass die Stadt
wegen des Grundstücks, der Ostsee-Nähe und der Autobahnanbindung optimal sei. Referenzen, die er nennt, sind jedoch mit Skepsis zu betrachten. Bisher habe EFFZ die Miss Germany-Wahl in Berlin vor einem Jahr sowie
den Unicef-Millenniums-Event auf Mallorca produziert, sagt Balzer-Intimus Strauß. Ralf Klemmer, Chef der Miss Germany Corporation in Oldenburg, dementiert das: “Die Wahlen haben wir produziert. Herr Balzer
hat ein Video gedreht, das ans Fernsehen verkauft werden sollte, aber nie veröffentlicht wurde.” Und die Unicef-Gala scheint mit einem Rechtsstreit zu enden. Eine Münchener TV-Produzentin – seit 20
Jahren im Geschäft – hat beim Landgericht Darmstadt Strafanzeige gegen Balzer gestellt. 400 000 Mark soll der veruntreut haben. Die Klägerin behauptet: “Der ist noch während der Gala mit den Eintrittsgeldern
abgehauen. Mitten in der Nacht. Plötzlich war der weg.” Balzer hingegen wirft der Münchnerin vor, ihm noch Geld zu schulden. An den Vorwürfen sei nichts dran. Er selbst bereite gerade eine Anzeige gegen sie
vor. Karl-Heinz Balzer versteht die Zweifel nicht. “Ich habe niemandem etwas versprochen”, sagt er. In der Pressemitteilung des EFFZ vom 2. Mai heißt es jedoch: “Jetzt steht es fest. In Grimmen wird das
Europäische Film- und Fernsehzentrum mit vier Studios entstehen.”Versprechen oder Versprecher? Denn jetzt ist alles, was schon in Sack und Tüten zu sein schien, wieder vage und offen. EFFZ sieht sich in
Grimmen nach einem Bauplatz mit mindestens 100 Quadratmetern Fläche um. Aber auch andere Standorte wie Kronskamp, Süderholz und Stralsund sind plötzlich im Gespräch. Balzer: “Ja, wir sind auf Grundstückssuche
in Grimmen. Die Finanzierung über Investoren ist komplett. Daher müssen wir nach Ausweichmöglichkeiten suchen.” Hintergrund: Die Bürgermeisterwahl sei schuld, da sich der alte Bürgermeister Dieter Freimuth
und der neue Benno Rüster (CDU) nicht grün seien. “Die reden nicht miteinander und wir hängen in der Luft”, sagt Balzer. Welche Shows einmal in Grimmen gedreht werden sollen, darüber ist noch gar nichts
zu erfahren. Beim EFFZ heiĂźt es nur, die Unterhaltungsbranche sei ein enormer Markt mit riesigen Wachstumschancen.
MICHAEL MEYER (Ostsee-Zeitung)
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