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Die Kartoffel auf hochgeistige Art
Kartoffelschnaps und Obstbrände aus der Region
Kartoffeln sind nicht nur in jedweder Form auf dem Teller ein Genuss, sondern auch als hochprozentiges Getränk. Wodka nennen die Russen den klaren Kartoffelbrand,
im Odenwald heißt er schlicht Kartoffelschnaps. Oder Kartoffelgeist – wie ihn Thomas Göbel in seiner kleinen Schnapsbrennerei in Reinheim herstellt.
Ein Kartoffelbrand entsteht ebenso wie klare Obstbrände. Dazu werden die Kartoffeln gründlich gewaschen, leicht angedämpft, zu einem Brei gemahlen, mit
Malz und Gärhefe versetzt - und nach drei Tagen ist die Maische schon fertig. Im Kupferkessel des Destilliergeräts wird sie im Wasserbad über dem Holzfeuer auf 75
Grad erhitzt, der Alkohol steigt mit dem Wasserdampf auf, fällt wieder hinunter, wird mehrfach gebrannt – bis er leicht genug ist, um aufzusteigen und schlussendlich
durch die Kühlung in einen Edelstahleimer zu fließen. Der erste Liter davon ist nicht trinkbar, es handelt sich um Methanol, Methyl-Alkohol. Abfall ist diese angenehm riechende, hochprozentige
Flüssigkeit allerdings nicht. Als Franzbranntwein findet sie in der Medizin Anwendung und ist auch als Aufguss in der Sauna beliebt.
Der trinkbare Schnaps fließt anschließend mit bis zu 83 Prozent Alkohol aus dem anderen Hahn, wird mit weichem Wasser auf Trinkstärke von 40 Prozent gebracht und abgefüllt. Knapp zwei Stunden
dauert dieser Vorgang, und rund 17 Liter feinster Kartoffelschnaps sind das Ergebnis aus 150 Liter Maische. Nach dieser einfachen, traditionellen Rezeptur würde Thomas Göbel gerne Kartoffelschnaps brennen
– er darf es aber nicht. Er betreibt eine Obstbrennerei und die Kartoffel besitzt nun mal keinen Fruchtzucker, sondern Stärke – und ist somit kein Obst. Das Brennrecht wird in Deutschland stark
staatlich reglementiert, wird nur in begrenzten Kontingenten vergeben und wer es einmal besitzt, tritt es selten wieder ab. Beim Kartoffelgeist kommt das Gesetz allerdings nicht zum Tragen, dieser wird
ähnlich hergestellt wie Himbeergeist. Hierbei werden die Früchte, beziehungsweise Kartoffeln in einen klaren Brand eingelegt und geben ihr Aroma an den Alkohol ab. Überwiegend werden in der kleinen Reinheimer Obstbrennerei Äpfel
und Birnen verarbeitet, aber auch Kirschen, Pflaumen, Trauben und Beeren – alles, was in den Gärten der Region wächst. Thomas Müller brennt allerdings nicht nur sein eigenes Obst, sondern überwiegend für
Kunden wie Gastwirte und Privatpersonen. Jeder, der eigene Obstbäume besitzt oder ein Obstgrundstück gepachtet hat, kann sich seine Ernte zu Schnaps verarbeiten lassen, bis zu 50 Liter reinen Alkohol pro Jahr.
Die Maische stellen die Obstbesitzer in der Regel selbst her. Bei Äpfeln kann es je nach Temperatur zwei bis drei Monate dauern, bis die
breiige Masse fertig vergoren ist. Beim Brennvorgang dürfen die Obstbesitzer dabei sein, was gerne genutzt wird. Aber einfach mal schnell so ein bisschen Schnaps brennen ist nicht möglich, davor steht
das Gesetz. Bei der Zollbehörde muss jeder Brennvorgang unter exakten Angaben der Menge und des minutengenauen Termins angemeldet werden. Die Einhaltung wird streng kontrolliert, die
Zollbehörde macht regelmäßig, mehrfach pro Woche, Stichproben. Auch die Branntweinsteuer muss vorher entrichtet werden, pro 100 Liter Maische 72 Mark an die Bundeskasse in Stuttgart.
Auf einen Liter fertigen Kartoffelschnaps entfallen somit rund neun Mark Branntweinsteuer. Eine Möglichkeit, billig an Schnaps zu kommen, ist das Selbstbrennen also wahrlich nicht. Es sind auch
nicht die potentiellen Trinker, die diese Methode nutzen, sondern eher die Genießer, die einen guten, reinen Brand zu schätzen wissen. Vieles, was als preiswerter Obstbrand in den Supermarktregalen
steht, ist aromatisierter Industriealkohol. Das ist zwar absolut legal, ein Kenner schmeckt aber den Unterschied. Am 8. August 1988 begann Wilhelm Göbel nebenberuflich mit der eigenen Schnapsbrennerei. Eine
altes, traditionelles Handwerk wollte er damit am Leben erhalten. 1996 übernahm der jüngste Sohn Thomas den Betrieb und führt ihn hauptberuflich als Lohnbrennerei. Den ganzen Tag steht er in dem
kleinen, alkoholgeschwängerten Raum. “Trinken darf man dabei nichts, in der Luft schwebt schon genug Alkohol”, erklärt der junge Geschäftsmann. Er probiert seine Brände auch nur, ansonsten bleibt
er abstinent. Die Versuchung in diesem Beruf ist groß – und sobald die Zollbehörde die Gefahr einer Alkoholkrankheit erkennt, wird die Lizenz zum Brennen entzogen. Aber das ist in Reinheim kein
Thema, vielmehr will Thomas Göbel den Betrieb noch ausbauen, sowohl räumlich, als auch hinsichtlich der Produkten. Dazu gehören auch leckere Liköre aus den verschiedensten Obstsorten.
Seit zwei Jahren ist auch der Kartoffelgeist Bestandteil des Sortiments, gebrannt für die Familie Böhm vom Kohlbacher Hof in Brensbach, speziell für die Odenwälder Kartoffelwochen.
Übrigens: Gebrannt wird nicht hinter verschlossenen Türen, interessierte Besucher sind in der Obstbrennerei Göbel jederzeit herzlich willkommen; auch Besichtigung mit Verkostung für Gruppen ist
auf Anmeldung möglich.
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